Goldene Zeiten - Westfalia Herne in der 2. Liga 11FREUNDE

Es war sein Auftritt. Kurz vor Anpfiff des Spiels, als alle Spieler schon auf dem Platz standen und sich eine angespannte Erwartung ber das Stadion legte, durchschritt er das eiserne Tor zum Innenraum und machte sich entlang der Aschenbahn auf seinen Weg zur Trainerbank. In Hhe der Tribne schwappten ihm die Ovationen entgegen: Erhard! Erhard!

Es war sein Auf­tritt. Kurz vor Anpfiff des Spiels, als alle Spieler schon auf dem Platz standen und sich eine ange­spannte Erwar­tung über das Sta­dion legte, durch­schritt er das eiserne Tor zum Innen­raum und machte sich ent­lang der Aschen­bahn auf seinen Weg zur Trai­ner­bank. In Höhe der Tri­büne schwappten ihm die Ova­tionen ent­gegen: Erhard! Erhard! Erhard!“, schallte es durch das Sta­dion am Schloss Strün­kede in Herne. Lässig hob Erhard Gold­bach, der Ölkönig von Wanne-Eickel, die Hand und grüßte zurück.

Ich weiß nicht, wie oft ich diese Szene vom Spiel­feld aus mit­be­kommen habe“, erin­nert sich Bernd Och­mann, aber diesen Moment ließ sich Gold­bach bei Heim­spielen so gut wie nie ent­gehen. Er war der King im Verein, der­je­nige, der die Party bezahlte.“ Der ehe­ma­lige Profi von Rot-Weiss Essen war einer der Ersten, den der spen­dable Gönner Ende 1973 nach Herne gelotst hatte. Der SC West­falia Herne stand damals am Abgrund. Zechen­krise und Struk­tur­wandel hatten die Berg­bau­stadt mitten im Revier schwer gebeu­telt, außer Jürgen Marcus in der Hit­pa­rade und den SCW hatte man nicht viel zu bieten. So wurde der Self­made-Mil­lionär aus der Nach­bar­stadt Hernes zum Hei­land erkoren. Er sollte den Tra­di­ti­ons­verein vor dem Absturz in die Bedeu­tungs­lo­sig­keit retten.

Kräf­tige Finanz­spritzen

Sparen – Goldin fahren!“ Unter diesem Motto hatte der ehe­ma­lige Koh­len­händler in den sieb­ziger Jahren die größte Tank­stel­len­kette im Revier auf­ge­baut. Immer zwei Pfennig bil­liger als die anderen“, lau­tete seine Devise. Mit der Ölkrise 1973 und den auto­freien Sonn­tagen wurde diese Stra­tegie zu einem erfolgs­brin­genden Poli­tikum. Gold­bach pro­fi­lierte sich mit seinen freien“ Tank­stellen im Kampf mit den mul­ti­na­tio­nalen Kon­zernen wie Shell und Aral zum Robin Hood der Zapf­säule“, wie die Zei­tungen damals schrieben, und ver­viel­fachte seinen Jah­res­um­satz von 1973 bis 1978: aus 162 Mil­lionen wurden rund zwei Mil­li­arden Mark.

Mit kräf­tigen Finanz­spritzen hievte der Mäzen West­falia 1975 in die Zweite Bun­des­liga Nord. Wohl dem, der einen Gold­bach hat“, schrieb der Jour­na­list Harald Lan­de­feld in der Fuß­ball-Woche“. Was West­falia Herne heute ist, ist es zwei­fellos durch diesen Mann geworden, der den Nie­der­gang des Ver­eins in die Bedeu­tungs­lo­sig­keit radikal gestoppt hat. Männer machen Mann­schaften‘ – so hat Gold­bach West­falia Herne gemacht. Oder besser, ist dabei, es zu machen. Denn noch ist dieser Pro­zess längst nicht abge­schlossen.“ Und wie die Mis­sion lau­tete, war allen Betei­ligten klar: Erste Bun­des­liga!

Nir­gendwo sonst in der Zweiten Liga konnte man fortan so gut ver­dienen wie in Herne. Wir hatten einen Pseu­dojob bei Goldin und haben zusätz­lich ein Gehalt von West­falia bekommen“, erzählt Bernd Och­mann. Ich war eine Art Adju­tant von ihm und musste Geld trans­fe­rieren. Gold­bach gab mir einen Blan­ko­scheck, damit habe ich ein Konto leer gemacht. Das Bar­geld, manchmal über 200000 DM, habe ich in eine Hertie-Plas­tik­tüte gepackt und in meinen gelben Fiat geschmissen. Dann bin ich abge­bret­tert und habe das Geld zur Lan­des­kasse in Dort­mund gebracht und dort bar ein­ge­zahlt.“

Auch Tor­jäger Jürgen Abel hatte mit dem inner­be­trieb­li­chen Geld­fluss zu tun. Als Revisor kas­sierte er mit der Gold­bach-Freundin Monika Obgartel im Schlepptau die Tages­ein­nahmen der Pre­mium-Tank­stellen ab. Das Geld wurde bün­del­weise in einen im Kof­fer­raum des Autos ein­ge­bauten Safe geschmissen. Belege: Man­gel­ware. Gedanken über die Recht­mä­ßig­keit des Han­delns machte sich nie­mand. Warum auch? Die eigenen Pri­vi­le­gien waren zu groß. So besaß jeder Spieler für die Zapf­säule 15“ im Herner Tank­lager einen Schlüssel, mit dem er umsonst tanken konnte. Rei­hen­weise ver­sorgten sich die Fuß­baller mit Zehn-Liter-Kanis­tern, der jugo­sla­wi­sche Ball­zau­berer Micki Petrovic fuhr sogar mit einem LKW vor.

Bei West­falia konnte Erhard Gold­bach seine Eitel­keit aus­leben, und das ließ er sich einiges kosten: Der Aus­gleichs­scheck belief sich immer so auf 200000 bis 300000 Mark − im Monat! Hin­terher bei Gericht ging es um zwei bis drei Mil­lionen, die er in den Verein hin­ein­ge­steckt haben soll. Für mich waren das zehn bis zwölf Mil­lionen“, erzählt Werner Ever­s­berg, der jah­re­lang als Ver­bin­dungs­mann zwi­schen Geld­geber und Verein fun­gierte.

Der Mäzen drehte den Geld­hahn noch weiter auf

Nach andert­halb Jahren im Mit­telmaß der Zweiten Liga Nord drehte der Mäzen den Geld­hahn noch weiter auf. Ivica Horvat, der 1972 mit Schalke 04 Vize­meister und Pokal­sieger geworden war, wurde im Januar 1977 sen­sa­tio­nell als neuer Trainer ver­pflichtet. Ich bin mir für die Zweite Liga nicht zu schade“, stand das State­ment des jugo­sla­wi­schen Star-Trai­ners in fetten Let­tern in Bild“ zu lesen. Und: Die Erste Bun­des­liga schafft man nur mit Voll­profis!“

Mäzen Gold­bach kam der For­de­rung nach. Die Fuß­baller hatten mit ihrer laxen Arbeits­hal­tung sowieso den inner­be­trieb­li­chen Frieden im Unter­nehmen gefährdet. Außerdem setzte er als Erster eine Idee in die Tat um, die von Bayern Mün­chens Prä­si­dent Willi Neu­de­cker stammte: die öko­no­mi­sche Selb­stän­dig­keit der Lizenz­spie­ler­ab­tei­lung. Im Juni 1977 wurde der SC West­falia 04 Goldin Herne aus der Taufe gehoben und Gold­bach zum Vor­sit­zenden gewählt. Als man an der Säbener Straße von der Tat­kraft des Unter­neh­mers aus dem Ruhr­ge­biet hörte, soll Neu­de­cker spontan aus­ge­rufen haben: Schickt uns diesen Mann nach Mün­chen. Wir können ihn gut gebrau­chen!“

Mit dem admi­nis­tra­tiven Coup gelang Gold­bach, was zuvor dem Kräu­ter­li­kör­fa­bri­kanten Günter Mast bei Ein­tracht Braun­schweig nicht gelungen war. Er hatte den Klub in Jäger­meister Braun­schweig“ umbe­nennen wollen, was in Herne mit Goldin pas­sierte. Ein Novum in der Bun­des­li­ga­ge­schichte.

Gar­niert wurde das Gesamt­paket mit spek­ta­ku­lären Neu­ver­pflich­tungen, an deren Spitze Klaus Scheer stand, der für 300000 DM vom 1.FC Kai­sers­lau­tern kam. Damals für die Zweite Liga eine unge­heu­er­liche Summe. Eben­falls in der Mann­schaft spielte mit Sören Busk ein Däne, der noch bei West­falia zum Natio­nal­spieler seines Landes wurde. Und mit Lutz Ger­res­heim, dem dama­ligen Rekord­spieler der deut­schen Jugend­na­tio­nal­mann­schaft, kam aus dem Klub eines der ganz großen Talente des Landes. Der sport­liche Erfolg blieb aller­dings aus. So musste auch Horvat nach einem Jahr im Mit­telmaß wieder gehen. Für Bernd Och­mann war er trotzdem der beste Trainer, den er je hatte: Ich habe von Horvat unheim­lich pro­fi­tiert. Er hat nicht nur Geld abge­zogen, son­dern war mit der Zweiten Liga nicht zufrieden und hat sich rein­ge­hängt. Aber es hat ein­fach nicht geklappt.“

Gold­bach däm­merte, dass man Erfolg im Fuß­ball nicht so ein­fach kaufen konnte, und gönnte der Mann­schaft mit dem neuen Trainer Gerd Prokop mehr Ruhe. Am Ende der Saison 1978/79 stand mit dem fünften Platz die mit Abstand beste Plat­zie­rung seit Liga­zu­ge­hö­rig­keit zu Buche. Ein spie­le­risch starker Kader ließ die Herner für die neue Spiel­zeit zu einem heiß gehan­delten Auf­stiegs­aspi­ranten werden.

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